Und Weihnachten auch.
Früher war alles besser. Ok, nein, nicht alles. Aber meine Geburtstage, die waren besser. Ich traf mich mit Freund*innen, wenn sie nicht gerade im Sommerurlaub waren, wir feierten ein bisschen, und ich kriegte coole Geschenke. Überraschende Geschenke.
Ok, auch das stimmt nicht. Denn manchmal waren die Geschenke irgendwie nicht so gut: Das Fonduekochbuch war sicher eine nette Idee, und es stimmt ja auch, ich lieb(t)e Fondue! Aber irgendwie war es nix. Und der Kerzenständer, den ich einmal bekam, war auch nicht genau so, wie ich ihn mir ausgesucht hätte. Aber vielleicht lag genau darin ein gewisser Zauber.
Denn: All das war, bevor es meine Amazon-Wunschliste gab.
Wo ist der Zauber hin?
Irgendwann um das Jahr 2005 herum habe ich damit angefangen, meine Wünsche in die Wunschliste zu packen. Zeitweise hatte ich hunderte Dinge auf der Liste: Bücher natürlich, aber auch Musik, Kleidung, Werkzeug, Makeup, Sportsachen, Spiele, Zeug für die Küche, Schuhe, Schmuck, Farben. Meine Wunschliste war immer gut gefüllt und gut gepflegt, ließ sich nach Dringlichkeit des Wunsches oder Datum des Hinzufügens praktisch sortieren. Wer auch immer mir etwas schenken wollte, bekam die Antwort: Ich habe eine Amazon-Wunschliste!
Aber seitdem habe ich ein paar Dinge beobachtet.
Zuerst war ich happy: Ich hatte damals, Mitte der 00er, nicht viel Geld, und die Sachen, die ich mir wünschte, hätte ich mir von meinem Geld oft nicht kaufen können. Also wünschte ich sie mir, und manchmal bekam ich sie. Das war super! Das war – fast wie einkaufen!
Ich hatte von Anfang an Sorge, dass ich mich um den Spaß am Beschenktwerden bringen könnte, und stopfte meine Wunschliste darum immer so voll, dass ich mir nicht merken konnte, was alles drauf war. Genius! Das hieß andererseits aber, dass ich meist mehr auf die Liste tat, als das, ich mir eigentlich wirklich gewünscht hätte.
Und dass es vielleicht problematisch war, dass Amazon bei allem mitguckte und mitverdiente, war mir damals auch noch nicht bewusst.
Ich kaufe nicht, ich wünsche mir!
Irgendwann hatte ich mehr Geld und konnte mir selbst mehr Dinge kaufen, die ich brauchte oder wollte. Das war gut, ich kann Armut wirklich nicht weiterempfehlen. Nicht so gut: Ich erfüllte mir meine Wünsche in immer kürzer werdenden Abständen selbst, und auf meiner Wunschliste landeten nur noch wenige Sachen. Und ehrlich gesagt immer absurdere. Beschenkt werden fühlte sich immer unsinniger an, immer weniger nach etwas, was die Menschen gern taten, um mir eine Freude zu machen, sondern wie eine lästige Pflicht, für alle Beteiligten.
Vor ein paar Jahren zog ich die Reißleine. Ich versuchte wegzukommen von der Instant-Wunscherfüllung. Statt mir selbst alles zu kaufen, landeten Dinge, die ich wirklich wollte, immer seltener im Warenkorb und wieder öfter auf der Wunschliste. Die Wunschliste wurde relevanter. Nachteil: Manche Sachen wurden gekauft, manche nicht. Die wollte ich aber immer noch, also, ja, kaufte ich sie wieder selbst. Wünschen ist eben nicht einkaufen.
Seit der unseligen Wunschliste wurde ich nicht mehr von der Idee überrascht, die ein Mensch hatte. Gutscheine für gemeinsame Unternehmungen wurden ebenso weniger wie Selbstgemachtes. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass wie ich meine Freund*innen ebenfalls mehr Geld zur Verfügung hatten und immer weniger Freizeit. Und sicher, es kam auch immer mal vor, dass Menschen sich über das Diktat des Wunschzettels hinwegsetzten. Aber das waren meist mutige Menschen, die mich dazu auch noch gut kannten.
Zugegeben, das ist Jammern auf hohem Niveau. Aber diese Amazon-Wunschzettelitis ist für mich zu einem Symbol für das geworden, was ich glaube zu wollen, aber eigentlich doch nicht will. Ein Symbol für die „du kannst alles haben, aber wenn du es kriegst, macht es dich nicht glücklich“. Denn was mich immer am meisten freut, sind die Gedanken, die sich jemand meinetwegen gemacht hat. Nicht die Kohle, die für mich verbrannt wurde.
Und für die Zukunft wünsche ich mir:
Ich habe meinen Amazon-Wunschzettel zum Start meines No-Buy stillgelegt. Ich will Amazon dieses Jahr komplett boykottieren, und das war ein logischer Schritt. Trotzdem möchte ich Menschen, die mich gerne beschenken wollen, nicht planlos im Regen stehen lassen.
Es gibt eine Menge andere Wunschzettelanbieter. Ich bin z.B. bei wunsch-index.de gelandet, es gibt aber auch wunschzettel.de oder nocake.de oder viele, viele andere Anbieter. Und ich schreibe oft vage auf, was ich mir wünsche, wie „ein gutes Kochmesser“. Das finde ich viel cooler, als mir eins auszusuchen und sozusagen selbst zu kaufen. Menschen, die mich beschenken wollen, können selbst überlegen, was „ein gutes Kochmesser“ ist, und ich mag das.
Noch besser würde ich es finden, wenn ich komplett abstrakt Vorlieben und Abneigungen notieren könnte, als Hilfe bei der selbstgesteuerten Suche nach Geschenkideen.
„Mag: Moderne Kunst (machen), *irgendwie andere* Fantasybücher, kreatives Schreiben, Feminismus, Utopien/Dystopien, kooperative Gesellschaftsspiele, 80s-Ästhetik, technische Spielereien, gutes Essen, minimalistisches Design, Kaffee, Ingwer, dunkle Vollmilchschokolade, Abenteuer, Japan, mit Freund*innen kochen, Whiskey, Fahrräder, Yoga, Indie-Makeup, Pilze sammeln, mit Liebe Selbstgemachtes, Dinge mit Charakter.
Mag nicht: Gurken, Melonen, Plastik, Wegwerfzeug, Konsumerismus, Autos, Hinstellzeug, Geschlechterklischees, Fast Fashion, Strandurlaube.“
So ungefähr. Es wäre noch cooler, wenn daraus jetzt wieder Suchen möglich wären oder so. Vielleicht muss ich sowas selbst basteln.