wo ich über Dinge schreibe, die mich bewegen

Kategorie: Allgemein (Seite 4 von 6)

Ich faile beim No-Buy: Wie ich es nicht schaffe, mich auf einen Nachkauf zu beschränken

Es stimmt. Ich probiere gerne neue Sachen aus. Ich habe schon darüber geschrieben, dass es zum Teil daran liegt, dass ich einfach Spaß daran habe, neue Dinge zu entdecken.

Aber eine andere Facette ist mir inzwischen auch klar geworden: Ich habe für einige „Probleme“ noch keine „Lösung“ gefunden, oder, noch schlimmer: Meine „Lösung“ gibt es nicht mehr.

Ich will doch nur testen!

Ein Beispiel: Salz-Spray fürs Haar. Ich habe seit ein paar Jahren einen Bob, und ich mag es, meine Haare wuschelig zu tragen. Gutes Salzspray ist dafür toll, es gibt Textur und macht die Haare ein bisschen strähnig, aber nicht zu sehr. Mein geliebtes Bamboo-Salzspray gibt es jetzt aber einfach nicht mehr. Also: Neues suchen. Und da es für solche haarsachen einfach keine Tester gibt, bin ich auf einen Glücksgriff angewiesen.

Ich war stark und habe nur ein neues Salzspray gekauft, nachdem das alte, gute leer war. Und: es ist einfach schlecht. Es macht die Haare strohig und trocken, aber dabei nicht griffig, sondern schlapp und schwer. Worst-of-Salzspray von der Eigenmarke von Rossmann. Also werde ich nachher ein neues suchen. Vielleicht habe ich ja dieses Mal Glück.

Und neulich sind mir meine Gesichtstoner ausgegangen. Nicht zuletzt, weil der Toner von meinem Mann mitbenutzt wurde – und jetzt gibt es den „Aloe Toner 98%“ von Holika Holika nur noch als Import. Orr. Und gute Toner ohne Mikroplastik, Alkohol und Gedöns gibt es eh nicht in der Drogerie soweit ich weiß – und dabei will ich doch Versandkosten und Verpackungsmüll sparen… Also habe ich drei (jaja) Toner bestellt, in der Hoffnung, dass einer von ihnen gut ist und ich nichts neu bestellen muss. (Und dass einer von ihnen in den Besitz meines Mannes übergehen wird.)

Und jetzt habe ich das umgekehrte Problem: Sie sind alle ziemlich gut! Ich werde sie also nacheinander aufbrauchen und muss mich genauer beobachten und eine Möglichkeit finden, wie ich sinnvoll Dinge nachkaufen kann, die ich nicht selbst testen kann.

Von Mode, dem Frühlingserwachen der Kauflust und Klimaschutz durch Verzicht

Ja, tatsächlich. Meine Datumsanzeige auf verschiedenen digitalen Endgeräten sagt, es ist März, und zwar schon fast eine Woche lang! Also haben sie sich enntweder gegen mich verschworen (immer möglich), oder der Februar ging einfach sagenhaft schnell vorbei.

Und ich glaube, ich bin immer noch in der Gewöhnungsphase meines No-Buy-Jahres. Aber langsam, langsam geht es besser. Ich schaue immer seltener in Schaufenser und überlege, was ich noch kaufen kann. Und ich surfe nur noch selten Onlineshops ab, um nach neuem Zeug zu schauen.

Aber jetzt kommt der Frühling.

Ich weiß schon jetzt, der Frühling wird eine Herausforderung. Nach monatelanger Existenz im dunkelblauen Winterjacken-Kokon mit vor allem funktionalen Schichten darunter dürste ich nach leichten Stoffen, leuchtenden Farben und gewagteren Schnitten. Mein Auge ist so depriviert wie meine Seele, und ich merke, wie ich immer mal wieder in Schaufenster lunse. Wenn ich schon nichts kaufe, will ich doch wenigstens wissen, was so angezogen wird im Frühling, von anderen Menschen. Von modebewussten Menschen. Um mich irgendwie daran zu orientieren.

Ist das nicht merkwürdig? Einerseits: Ich habe schon immer besonders viel Spaß am Verkleiden gehabt, wenn auch nicht an dieser verknöcherten Seltsamkeit, die sich „deutscher Karneval“ nennt. Andererseits: Was ist denn „modebewusst“ bitte für eine Eigenschaft, und wieso ist mir das eigentlich wichtig? Laut Wiktionary heißt „modebewusst“ „sehr auf die Mode achtend“. Laut Duden online heißt es „sich bewusst nach der Mode richtend“.

Was ist eigentlich Mode, und warum ist sie mir (bisher) wichtig?

Jetzt komme ich wohl nicht darum herum, aufzubohren, was Mode eigentlich ist. Ich fange mal mit der Definition der Wikipedia an:

Mode (aus dem Französischenmode; lat.modus ‚Maß‘ bzw. ‚Art‘, eigentlich ‚Gemessenes‘ bzw. ‚Erfasstes‘) bezeichnet die in einem bestimmten Zeitraum geltende Regel, Dinge zu tun, zu tragen oder zu konsumieren, die sich mit den Ansprüchen der Menschen im Laufe der Zeit geändert haben. Moden sind Momentaufnahmen eines Prozesses kontinuierlichen Wandels.

Wikipedia

Und weiter unten zum soziologischen Aspekt:

Elemente neuer Moden werden schneller übernommen von Gruppen, die offen sind für Neues, die gerne experimentieren, die mit den bestehenden Verhältnissen unzufrieden sind, die etwas verändern wollen, […] und die sich als eigenständige Persönlichkeiten darstellen wollen, die sich also von ihrem Selbstverständnis gern von der Masse der Bevölkerung oder vom Establishment abgrenzen.

(Der deutsche Wikipedia-Artikel zum Thema Mode ist leider etwas krude geschrieben und enthält leicht abfällige Töne, die ich so auf der englischen Seite nicht gefunden habe. Ich vermute die übliche Verzerrung, die speziell in der deutschsprachigen Wikipedia-Community herrscht.)

Diese soziologisch-politische Bedeutung von Mode spielt bei mir durchaus eine wichtige Rolle. Nonkonformität nicht nur zu leben, sondern auch nach außen hin zu zeigen, ist mir wichtig. Interessant finde ich gerade die Beobachtung, dass ich das in der Vergangenheit oft dadurch gemacht habe, möglichst modische Stücke zu kaufen und mit als eine der Ersten zu tragen. Vermutlich sollte das ein Ausdruck verschiedener Facetten meiner Persönlichkeit und Einstellungen sein, im Verdacht stehen meine Offenheit für Erfahrung und meine gesellschaftliche Orientierung in Richtung Progressivität und Veränderung.

Alles neu macht der … März

Mindestens in diesem Jahr werde ich aber neue Ausdrucksformen dafür finden müssen. Dank Marie Kondo ist mein Kleiderschrank immerhin sehr aufgeräumt, so dass ich mich schnell orientieren kann und schnell die Klamotten finden kann, die ich gerade gerne anziehen will. Und ich freue mich schon sehr auf all die schönen Sachen, die ich schon habe und die den ganzen langen Winter im Kleiderschrank geschlafen haben. Endlich wieder leichtere Hosen! Endlich wieder Hemden statt Pullover, oder – ich wage kaum, daran zu denken – leichte Tops!

Und das alles wird mir nur etwas verdorben von der Tatsache, dass es im März eigentlich nicht so warm sein sollte. Dass der Februar viel zu warm war. Durchschnittlich 3,9 °C zu warm in Deutschland, das ist ehrlich gesagt beängstigend.

Mein einziger Trost ist, dass ich durch weniger undurchdachten Konsum auch weniger Müll mache: Für mich muss dieses Jahr kaum etwas produziert werden, was nicht Nahrung ist. Immerhin ein winziger Schritt in die richtige Richtung.

Belohne dich doch mal!

Letzte Woche ist nach langer Zeit ein wichtiges Projekt fertig geworden. Und nach einer anstrengenden, aber guten Woche ist auch heute ein guter Tag. Ich arbeite konzentriert und kann fast unmittelbar Erfolge sehen. Das ist toll!

Wäre da nicht plötzlich dieser aufkeimende Wunsch nach einer Belohnung. Etwas kaufen. Was schönes! Etwas, was ein gutes Gefühl macht. Was meine Augen satt macht und mir einen kleinen Kick gibt, wenn ich es in den Händen halte. Ein Halstuch, ein Lidschatten, Schuhe, Tasche, irgendwas, nur schnell her damit!

Es irritiert mich, dass mir der Kick offenbar nicht ausreicht, wenn ich etwas gut gemacht habe und das sogar ganz unmittelbar zu sehen ist. Dass ich trotzdem das Gefühl habe, eine Belohnung „verdient zu haben“.

Ich gieße mir erst Mal eine Tasse Tee ein, lehne mich zurück und höre Musik, die ein bisschen klingt wie in den 80ern, nur besser. Das ist meine Belohnung.

Die radikale Freiheit des Konsumverzichts

Ist Kapitalismuskritik wieder schick? Nein? Gut, dann können wir ja loslegen. Ich mache ja 2019 dieses No-Buy-Jahr. Ein Jahr lang nichts kaufen außer Essen, außer Dingen, die ich wirklich leer mache. Ein Jahr lang Verzicht.

Eine Werbeanzeige für tolle Klamotten.
„Verpass es nicht, unser Sale läuft nicht ewig! Bis zu 70% Rabatt auf ALLES!“
Auf alles, was ich nicht brauche. Das sind immer noch 30%, die ich bezahle. Und Verschwendung.

Aber ist es das wirklich, Verzicht? Es stimmt, ich kaufe nichts, wenn ein Impuls daherkommt. Nicht, wenn ich auf dem Handy scrolle, und auch nicht, wenn ich durch die Straßen gehe. Aber ist das denn zwangsläufig eine Einschränkung? Ist das ein Einschnitt in mein Leben, hindert mich das, am gesellschaftlichen Miteinander teilzunehmen?

Eine Werbeanzeige für schicke Brillen.
„Neu eingetroffen! Klassische Brillen sind immer stylish! Kauf 1, zahl nur 50% für den Rest!“
Neu, neu, neu. Und mehr.

Du willst es doch auch.

Vorweg: Ja, klar ist mein No-Buy ein Verzicht! Duh. Aber ich lerne gerade, dass das nichts Schlimmes ist, ganz im Gegenteil. Ich lerne mich selbst kennen. Lerne, wann ich schwach bin, empfänglich für Verführungen und Versprechungen. Wenn ich müde bin. Wenn ich gestresst bin, meine Laune im Keller ist. Wenn ich denke: „Und wann komme ich?“ Wenn ich enttäuscht bin. Dann will mein Hirn sich seine Belohnung holen. Ohne Aufschub, schnellschnell, Knopf gedrückt, Dopamin da.

Und ich lerne Werbung besser kennen, die mein müdes Hirn genau kennt und mit seinen Ängsten und seinem Begehren spielt: Kauf jetzt, kauf schnell, kauf viel! Denk nicht nach, klick einfach! Einfach. Hier, kauf dir Schönheit, kauf dir Stil, kauf dir, kauf! Reduziert, reduziert, aber nur für kurze Zeit! Bald nicht mehr, und dann ärgerst du dich. Rabattcode, exklusiv! Nur jetzt. Jetzt.

Eine Werbung, auf der fett "Sale bis zu 50% Rabatt!" steht.
„Sale. Bis zu 50% Rabatt! Es ist Zeit!
Zeit für wen oder was

Nein sagen heißt mehr Freiheit.

Mein bewusstes Neinsagen zu den diversen bunten Auswüchsen des Kapitalismus nimmt mir nur auf einer Seite Möglichkeiten. Es ist jetzt viel schwerer, einen „quick fix“ zu kriegen, ich kann nicht mehr das Knöpfchen drücken und mich selbst ein bisschen mehr happy machen. Auf der anderen Seite gewinne ich neue Möglichkeiten hinzu. Ich gebe Geld nicht aus, das ich hinterher für andere Sachen einsetzen kann – oder auch nicht.

Ich sehe das gerade lebhaft an mir und an den Berichten der anderen Menschen, die mit mir dieses No-Buy-Jahr begonnen haben. Für manche ermöglicht ein No-Buy erst die ganz grundlegende Versorgung. Manche geben das Geld an anderen Stellen wieder aus, um an etwas Besonderem lange Freude zu haben, zum Beispiel an einzigartigen Erlebnissen, oder an einem Tattoo. Manche Menschen lernen, zum ersten Mal in ihrem Leben, wirklich Geld auf dem Konto zu lassen, auch, wenn es da vor einem Monat schon war. Und für einige Menschen bedeutet dieses Mehr an Geld ein Mehr an Sicherheit in der Zukunft.

Auf mich treffen gleich mehrere dieser Aussagen zu. Nie war ich mir meines Konsumverhaltens im Kapitalismus so bewusst, wie im Moment. Nie habe ich mich den grundlegenden Ideen des Kapitalismus‘ ferner gefühlt als im Moment. Wohin ich schaue, sehe ich Überfluss, Verschwendung. Unnützes Zeug, gerade gut genug für den Kick für den Augenblick. Befriedigung niedrigster Triebe.

Ja, mein No-Buy ist ein Verzicht. Aber mein No-Buy ist keine Einschränkung.

Von allem weniger, vom Guten mehr: KonMari für Menschen mit Armutserfahrungen

Loslassen ist für einige Menschen leichter als für andere. Besonders Menschen, die schon einmal in Armut gelebt haben, können Schwierigkeiten damit haben, Dinge loszulassen. Für uns, die erfahren haben, wie das Geld zwischen den Fingern zerrinnt, sind Gegenstände manchmal das Einzige, was wirklich echten Wert hat.

Weil ich Gegenstände anfassen kann. Weil sie einen direkten, unmittelbaren Nutzen haben. Weil auf den billigen Klamotten keine Kuckuck-Aufkleber haften.

Zeug, Zeug, so viel Zeug

Dinge auszumisten, sie loszulassen, das kann gerade für Menschen, die einmal arm waren, eine Herausforderung sein. Für mich war es zumindest so.

Ich hatte seit meinen Jahren in Armut einige Jahre in relativem Wohlstand gelebt und mich eigentlich daran gewöhnt. Ich konnte Geld ausgeben für Dinge, die ich nicht unmittelbar brauchte, und ich konnte sogar ein bisschen sparen. Das ist nicht selbstverständlich. Aber es fiel mir schwer, altes Zeug loszulassen. Konnte ich das alte ausgeleierte Longsleeve nicht doch noch irgendwie benutzen, obwohl die Elasthanfasern allesamt gerissen waren und wie ein feiner grauer Pelz aus dem Baumwollgewebe lugten? War ich denn wirklich sicher, dass ich die Hose von 2003 nicht mehr tragen wollen würde, also gerade sollen Hüfthosen doch wiederkommen! Also hielt ich mich an meinem Zeug weiter fest wie eine Ertrinkende an Treibgut.

Im Laufe der Jahre habe ich auf diese Weise viel Kleidung angesammelt. Mein Leben veränderte sich nach dem Studium, ich brauchte schickere Kleidung für meinen schickeren Job. Dann änderte sich mein Leben wieder, und ich brauchte wieder legere Kleidung für meinen legeren Job. Ich wurde schwanger, kriegte ein Kind, neues Leben, neue Kleidung. Dazu kommt, dass ich irgendwo zwischen maskulinem* und femininem* Stil hin- und hermäandere, und ich mich so kleiden können will, dass ich mich wohl fühle, egal, wie ich mich gerade fühle. Und ich gab mir zwar Mühe, ab und zu auszusortieren, aber es wollte nicht wirklich funktionieren

Sich (nichts) gönnen können

KonMari, die Methode von Marie Kondo, Gegenstände anzusehen, in den Händen zu halten, in sich hineinzuhorchen, zu bewerten – und schließlich auszusortieren und neu zu organisieren, versprach einen anderen Ansatz. Ich musste nicht auf 100 Dinge aussortieren, musste keinen starren Regeln irgendeines Minimalismus-Gurus folgen. Ich konnte in mich hineinhören und schauen, welche Kleidung mich „mit Freude erfüllt“.

Ein großer Berg Kleidung, aufgetürmt auf einem Bett.
KonMari, Stadium 1: Ein Berg Kleidung auf einem Bett aufgetürmt.

Und es hatten sich viel Kleidung angesammelt (und viele andere Dinge, aber so weit bin ich noch nicht)! Und wie das manchmal ist, zwischen den 30 mittelmäßigen Oberteilen, die auch irgendwie noch passen und irgendwie okayish aussehen gingen die 20, die ich liebte, komplett unter. Die Kleidungsstücke, die mir die meiste Freude bereiteten, waren schwer zu finden, und wenn ich sie doch fand, wollte ich sie lieber „schonen“ – und zog dann doch wieder die mittelguten Sachen an, die auch noch irgendwie gingen.

Der Klamottenberg auf dem Bett verfehlte das Schockmoment nicht.

Ich hielt also meine ranzigen Oberteile, die Jeans, die schon immer schlecht gesessen hatten, die Fehlkäufe, all die Sachen, die ich all die Jahre mit mir herumgeschleppt hatte, die unzählige Umzugskartons von innen gesehen hatte, in den Händen und wartete darauf, dass sie in mir etwas berühren. Und das taten sie.

Mehrere Tütel und eine Klappkiste voller Kleidung: Meine aussortierten Kleidungsstücke.
KonMari, Stadium 2: Die aussortierten Klamotten.

Sie machten mich traurig. Ich schämte mich für sie. Ich fühlte mich angewidert, beschämt, befremdet, irritiert. Ich glaube, es ist wichtig, nicht nur auf dieses ominöse „sparking joy“ zu achten, sondern auch auf diese negativen Gefühle. Also legte ich die Kleidung, die in mir schlechte Gefühle auslöste, zusammen, bedankte mich und sagte tschüss.

Dieser letzte Schritt, das „Danke“ sagen, das war der Unterschied. Dieses Detail war es, was mir die Trennung von meinem überflüssigen Zeug möglich machte. Für mich war das, als würde ich einem Teil meiner armen Vergangenheit „danke“ und „tschüss“ sagen. Sie endlich akzeptieren – und loslassen. Endlich loslassen.

Und dazwischen: Ich

Mehrere Stapel ordentlich gefaltete Kleidung von oben fotografiert.
KonMari, Stadium 3: Kleine Stapel mit sortierten Kleidungsstücken, die ich behalten will.

Und mitten in diesem Berg aus schlechten Gefühlen, halb Knauserigkeit und halb Kaufrausch, waren die Stücke, die ich liebte. Wunderschöne Sachen, die ich gerne trage, die ich vor Jahren schon gerne getragen hatte, die aber bisher immer in dem Wust aus Zeug untergegangen waren. Und natürlich gab es auch Kleidungsstücke, bei denen ich mir unsicher war. Die mich ein bisschen happy machten, und auch ein bisschen traurig. Mit manchen verbinde ich schlechte Erinnerungen, mit anderen einfach – nichts. Ich habe versucht, so gut zu entscheiden, wie es ging, und für ein paar Kleidungsstücke heißt das, dass ich sie verändern werde, bemalen oder umnähen.

Ich muss sagen, dass das Gefühl, meine übrig gebliebenen Sachen zusammenzufalten und aufrecht gepackt in langen Kisten zu verstauen, sehr gut war. Ich glaube, ich habe mich noch nie so gut gefühlt, was meine Kleidung anging. Ich mache den Kleiderschrank auf, und da ist kein Kleidungsstück mehr, das mir ein schlechtes Gefühl macht. Das ich erst aus dem Schrank ziehe, um es dann wieder hineinzustopfen, weil es zu kaputt zum anziehen ist. Kein Stück, das ich nur gekauft habe, weil es heruntergesetzt war und ich dringend was brauchte und es danach nicht mehr loswurde.

Eine Kiste mit fein säuberlich gefalteten, aufrecht stehenden T-Shirts
KonMari, Stadium 4: Hochkant gefaltete T-Shirts in einer Kiste.

Ich habe den Eindruck, ich verstehe, wieso Marie Kondo sagt, die Methode würde das Leben verändern. Die Auseinandersetzung mit unseren stofflichen Dingen ist zu einem gewissen Teil auch immer eine Bestandsaufnahme der eigenen Person und der eigenen Geschichte. Das ist für einige bestimmt einfacher als für andere, keine Frage. Profitieren können wir aber alle von der bewussten Auseinandersetzung mit der persönlichen materiellen Kultur.

Ich habe mich nach dem Aussortieren mehrere Tage lang sehr dünnhäutig gefühlt. Erst zwei Wochen später konnte ich die Aufbewahrungsboxen kaufen (ja, trotz No-Buy-Jahr, sue me). Aber jetzt bin ich sehr, sehr happy: Ich habe viel weniger. Weniger Mist, den ich aus falschem Pflichtgefühl mit mir herumschleppe. Weniger Zeug, das ich statt meiner „guten“ Sachen anziehe. Weniger Altlasten. Und so viel mehr Platz.

Ein Kleiderschrank mit einigen Kistchen, in denen aufrecht Kleidungsstücke stehen. Er sieht aufgeräumt aus.
KonMari, Starium 5: Ein Kleiderschrank, viel leerer als vorher.

Zum Schluss noch ein paar Leseempfehlungen: Distel hat vor zwei Wochen schon über ihre KonMari-Erfahrungen geschrieben, auch im Zusammenhang mit ihrem No-Buy-Jahr. Und auch The Rosenblatts haben einen Artikel zum Thema KonMari und Armut geschrieben, den ich nur sehr ans Herz legen kann!

*) Ich betrachte Geschlecht als soziales Konstrukt und „maskulin“ und „feminin“ als stereotype Ausprägungen einer angenommenen Binarität. Dazwischen gibt es aber noch viel mehr, und darüber hinaus auch, und nur, weil jemand von der Mehrheit der Menschen der westlichen Welt auf irgendeine Weise wahrgenommen wird, macht das die Person nicht automatisch dazu. Nur, weil jemand feminin gekleidet ist, muss das nicht bedeuten, dass die Person an sich feminin ist oder eine Frau ist oder feminine Stereotype bedient.