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Eltern, Kinder, Corona: Das Leben, das ich nie wollte

Kinderhände halten ein selbstgemaltes Bild hoch.

Ich lebe ein Leben, das ich nie wollte. Seit über 10 Wochen jetzt betreuen mein Partner und ich unser Kind zu Hause. Zusätzlich zu unserer Arbeit, klar. „Nebenher“. Unser Kind ist viereinhalb Jahre alt und sehr aufgeweckt, und es fordert viel Aufmerksamkeit. Seit ich vor etwa 6 Wochen einen Hilferuf absetzte, weil ich nicht mehr wusste, wie ich mit der Überforderung anders klar kommen sollte, werden wir 3-4 Mal in der Woche unterstützt von Freund*innen, die dann das Kind für 2 Stunden übernehmen. Die Freund*innen leben mit uns im gleichen Haus und nehmen wie wir die Kontaktbeschränkungen äußerst ernst.

Kinder, Küche, Kompromisse

Als ich mich 2014 dafür entschieden habe, dass ich ein Kind möchte, war das eine knappe Entscheidung. Man könnte fast sagen, dass ich ein Kind „in Kauf genommen habe“. Ich war 34 und wusste, dass unsere Gesellschaft Kinder nicht besonders wertschätzt. Kinder werden als Makel im Lebenslauf wahrgenommen, als Zeit- und Geldfresser, als Wesen, die dir Jugend, Sexdrive und Partynächte rauben und sie ersetzen durch Kackwindeln, Kindergeburtstage und einen gebeugten Rücken vom vielen Katzbuckeln in alle Richtungen: Damit du überhaupt die dir gesetzlich zustehende Kinderbetreuung bekommst, damit dir das Elterngeld auch wahrhaftig ausgezahlt wird, damit du in einem Restaurant sein darfst mit deinem Kind, damit du in deinem Job weiterarbeiten darfst, man stelle sich das mal vor. Ich hatte außerdem Angst vor den physischen Veränderungen der Schwangerschaft, scheute die Verantwortung, die Eltern nie wieder ablegen können, macht euch da nichts vor. Und vor dem systemischen Sexismus, dem Mütter anders und mehr ausgesetzt sind als kinderlose Frauen. Und Mütter natürlich gänzlich anders als Väter. Ich nahm das damals in Kauf, weil wir uns ein Kind wünschten. Und wir lieben es sehr. Es ist das beste Kind der Welt.

Ein Kind liegt auf dem Bauch und malt.

Aber es war eine durchaus knappe Entscheidung. Und hätte ich gewusst, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen würde, wo wir uns auf keine Unterstützung mehr verlassen können, ich hätte mich dagegen entschieden.

Corona bringt es an den Tag

Und dann kam Corona, und es ist soweit: Es gibt keine Unterstützung mehr. Wir Eltern vegetieren seit bald einem Vierteljahr (gebt euch das mal, bitte!) in unseren Familienhöhlen und sollen alles gleichzeitig machen, wenn wir auch künftig noch existieren wollen. Wir sollen arbeiten und die Kinder betreuen, dabei hübsch still sein, wir wollen ja hier nicht die Revolution proben, und wer sich beschwert darf mit Whataboutismen rechnen wie „Was ist denn mit den Alleinerziehenden, den Alten, der Autoindustrie!?“ Und weil wir ja wirklich wissen, dass es gerade anderen Menschen auch schlecht geht und einigen natürlich auch schlechter als uns, halten wir mehrheitlich die Klappe. Ich habe von Müttern (sic) gehört, die zwischen 5 und 7 Uhr am Morgen arbeiten, um danach die Kinder betreuen zu können. Ich habe von inoffiziellen Spielabsprachen erfahren. Ich habe von Nervenzusammenbrüchen gehört. Und von Suizidgedanken.

Unvorstellbar? Dann stell dir vielleicht mal vor, alle 15 Minuten klingelt ein Wecker. Wenn er klingelt, musst du eine zufällige Aufgabe machen, zum Beispiel ein Brot buttern, ein albernes Spiel spielen, kneten oder ein Buch vorlesen, mit einer 50%igen Chance, dass du die Geschichte so richtig scheiße findest. Und das musst du mit einem Lächeln tun und voller Liebe. Von 7 Uhr am Morgen bis 8 Uhr am Abend. Du darfst für eine Weile den Wecker ignorieren, aber dann musst du die ganze Zeit über darüber nachdenken, was für ein schlechter Mensch du bist und wie du die Leben aller Menschen langsam zerstörst, die du liebst.

Und das machst du jetzt bitte neben dem Job, dem Haushalt und dem ohnehin ständig drückenden Stress durch eine weltweite Pandemie – und du machst das bitte 10 Wochen lang, ohne, dass Besserung in Sicht wäre. Herzlich Willkommen in meiner Welt.

Vor inzwischen einem Monat forderten Sozialverbände und Kinderärzt*innen die Politik zum Handeln auf. Und seit Monaten wird versprochen, dass sich um die Kinder und auch um die Eltern gekümmert wird. Bisher ist dabei herausgekommen: Nichts. Notbetreuung. Lippenbekenntnisse. Von 300 € „Sonderzahlung“ wurde gesprochen. Was soll ich mit 300 €? Dafür kann ich mir keine neuen Nerven kaufen. Genausowenig übrigens, wie man sich von 150 € einen Laptop kaufen kann.

Zwei Zettel, auf denen mit krakeliger Kinderschrift "Papa" und "Mama" steht.

Ja sorry, dass ich kein Auto geboren habe. Da würde ich jetzt Finanzspritzen, Konjunkturankurblungsversuche und ganz viel Beachtung von Politiker*innen hinterhergeschmissen bekommen. Schuldigung auch, dass Kinder keine Airline sind, die die Umwelt seit Jahrzehnten durch fehlende Ausgleichszahlungen bescheißt und jetzt gerettet werden muss mit Milliarden – ganz legal natürlich, Umwelt ist ja als Ressource quasi nicht bezifferbar und darum wird da auch nicht bezahlt für. Duh. Kinder sind ja nur die langweiligen Steuerzahlenden von morgen, blabla, das Argument haben die Kinderlosen schon so oft gehört, es wird einfach nicht geiler, wenn ich es wiederhole. Es verliert aber auch nicht an Relevanz.

Aber ich schweife ab, wir wollen ja konstruktiv bleiben. Vorbildliche Eltern sozusagen.

Der neue Riss durch die Gesellschaft

Also stelle ich nüchtern fest: Ein Riss, der schon seit langem durch die Gesellschaft geht, und der von vielen der Einfachheit halber ignoriert wurde, ist jetzt unübersehbar geworden: zwischen Eltern und Kinderlosen.

Wenn Wigald Boning versteht, was jetzt getan werden muss, aber die Kanzlerin nicht. Wenn der Profifußball für einige wichtiger ist als eine zumindest zeitweise geregelte Betreuung für kleine Kinder. Wenn der Gender-Rollback läuft und läuft, nur nicht für alle gleichermaßen. Wenn sich manche Gedanken machen können, welches ausgefallene Brotrezept sie als nächstes ausprobieren oder welchen tollen Corona-Skill sie als nächstes lernen oder welches Workout sie am effektivsten zu Hause schaffen können – und andere unter der Dusche zusammenbrechen, weil sie ihr Kind lieben, aber einfach nicht mehr rund um die Uhr ertragen, weil sie gute Eltern sein wollen, aber nicht mehr wissen, wie das gehen soll, weil den letzten Rest an Geduld verbraucht haben und sie trotzdem ruhig und besonnen handeln müssen, wenn ihr Kind durch eine Trotzphase geht, die nun einmal dazugehören zum Kindsein.

Wir Eltern können nur so gut sein, wie wir Unterstützung haben: Bedingungslose Akzeptanz, radikale Hilfe, kreative Angebote. Von alledem ist gesellschaftlich nichts zu sehen. Das ist eine Schande und eine Tragödie. Und es darf nicht so bleiben. Denn die Reserven sind bei zu vielen schon lange aufgezehrt.

Darum appelliere ich an die Politik, aber auch jede einzelne Person: Tut endlich etwas! Schaut nicht weg, solidarisiert euch. Unterstützt die, die schon zu lange keine Kraft mehr haben, aufzubegehren. Seid kreativ, seid hilfsbereit, zeigt Akzeptanz. Denn wir sind am Ende unserer Kräfte angekommen.


Nachtrag, 28.05.2020:

Ich habe jetzt einige Male gelesen, ich solle mich nicht anstellen. Manche schreiben das als Helden-Elternteil, das sich ganz aufgibt für das Kind und sich in die Situation so positiv einfügt wie möglich. Wenn das deine Vorstellung eines erfüllten Lebens ist, dann ist das ja schön, aber diesen Lebensentwurf allen Eltern aufoktroyieren? Also bitte. Da war unsere Großelterngeneration ja weiter.

Andere möchten mir das Recht absprechen, mich für ein Kind entschieden zu haben. Ach, Jon Snow, you know nothing. Nichts über mich, über meine Situation, meine Partnerschaft. Es sei gesagt: Ich habe mir diese lebensverändernde Entscheidung sicher nicht leicht gemacht, was unter anderem Sichtbar ist anhand des Fakts, dass ich über 30 Jahre gewartet habe. Kommentare wie „dann hättest du halt kein Kind kriegen sollen“ disqualifizieren sich meiner Ansicht nach ohnehin selbst, denn was bitte ist die Alternative? Dass staatliche Stellen ab jetzt entscheiden, wer Kinder kriegen darf und wer nicht wertvoll, stabil oder wohlhabend genug dafür ist? Oder doch lieber dahergelaufene Kommentator*innen in Blogs? Derartige Argumentationsmuster lassen keine sinnvolle Diskussion zu und dienen nur der Herabwürdigung meiner Person und anderer Eltern.

Diskursiv vorgebildete Personen würden sich auch nicht in Täter-Opfer-Umkehr verheddern und mir die Schuld dafür geben, dass es mir (wie vielen anderen) mit der Situation schlecht geht. Positives Denken bringt nur so lange weiter, so lange es sich nicht vollständig von der Realität entkoppelt.

"this is fine" meme

Ich werde künftig keine Kommentare mit diesen Inhalten mehr freischalten. Wenn du also gerade ansetzen willst und etwas in dieser Art in deine Tastatur klopfen willst: Du kannst dir die Mühe sparen. 🙂

Two Free Fiasco Playsets

Hello fellow humans! Today I write in English instead of German, because the materials I have to share are in English, too. I made two playsets for the awesome role playing game Fiasco some time ago and shared them on different pages, but not on my own website.

So, here they are!

Road Kill

A Fiasco Playset by Christine Roth

Cover art of "Road Kill", a Fiasco Playset. It shows a road at night with a stylized burning car in the distance.

The plan went alright up to now. You went for it, got what you wanted (you did, didn’t you!?) and left. Now the road is the place to be, putting some distance between the things that happened and yourself, hopefully on your way to a better life.

But can you really trust your “friends”?

And can they trust you?

Where No One Has Gone Before

A Fiasco Playset by Christine Roth

Cover art for the Fiasco Playset "Where No One Has Gone Before". It shows a black silhouette of a starship, perhaps the USS Enterprise, and stylized stars

Space – the final frontier. These are the adventures of some people in space, exploring planets, stars, galaxies – and making some really bad decisions on their way.


Hope you like them! If you do, please feel free to leave a comment, I’d love to hear about it!

Es gibt kein Zurück: Wie ich mein Budget änderte, um durchzuhalten

Der Januar ist vorbei, und ich habe mein Budget von 80 € schon gerissen. Aber sowas von. Statt der geplanten 80 € habe ich im Januar 95,94 € für alle möglichen Dinge ausgegeben. Für Mascara und Lippenstifte, für Socken und Deo. Boah, wie uncool!

Klar: Mein Overspending hat Gründe. Da wäre zum Beispiel der Fakt, dass ich ein Jahr lang nichts gekauft habe, was ich nicht vorher aufgebraucht habe. Ich würde lügen, würde ich nicht zugeben, dass das in mir eine gewisse Neugierde auf neue Dinge geweckt hat. „Was hab ich verpasst? Was gibt es neues?“

Grund 1: Alte Muster, alte Wünsche

Und das sind meine alten Muster. Mein Wunsch, neue Dinge zu entdecken. Und ich habe es nicht gemerkt, oder vielleicht habe ich gedacht: „Hey, das No-Buy-Jahr 2019 ist vorbei! Jetzt darf ich!“ Super Story, die ich mir da erzählt habe. Das Problem ist nur, dass ich während meines No-Buy-Jahres nicht sehr gut geübt habe, mit meinen Kaufimpulsen sinnvoll umzugehen. Ich habe gelernt, sie zu unterdrücken und wegzuschieben. Dass das zwei verschiedene Dinge sind, merke ich jetzt.

Grund 2: Reaktanz

Und dann war da die Sache mit den 80 €. Die Zahl hatte ich an meinem alten Taschengeld von irgendwanneinmal orientiert. Das rächte sich: Ich war so widerwillig, innerhalb dieser 80 € zu bleiben, so viel Widerwillen habe ich seit der Pubertät nicht mehr in mir gespürt.

Also habe ich mein Budget auf 100 € erhöht. Ich schwankte ohnehin zwischen 80 und 100, und ein weniger restriktives Budget gibt mir mehr Freiraum, es auch tatsächlich durchzuhalten.

Denn ich will ehrlich sein: In den letzten Wochen habe ich oft darüber nachgedacht, ganz aufzuhören und mich der Einfachheit halber gleich komplett dem unkontrollierten Konsum hinzugeben. Wozu es überhaupt noch versuchen, wenn ich schon gescheitert bin? Mäßigkeit gehört nicht zu den mir mitgegebenen Tugenden.

Ich riss mich zusammen, so gut es ging, und nahm die 100 € als neues Budgetziel an, um mir überhaupt eine Chance zu lassen, durchzuhalten. Und damit lag der Januar wieder im grünen Bereich.

Grund 3: Kaputte Sachen sind kaputt

Zudem gibt es auch ganz praktische Gründe außerhalb meines problematischen Konsumverhaltens, weswegen ich mein ursprüngliches Budget gerissen habe. Zum Beispiel das schleichende „Verbrauchen“ meiner BHs. Seit Jahren schwindet mein Bestand an bequemen BHs heimlich, gleichzeitig vergrößert sich der Pool aus zwickenden, schlecht sitzenden, ausgeleierten BHs, die ihr Dasein nur noch in der Schublade fristen. Was sich durch mein No-Buy nochmals verschärft hat. Als jetzt Anfang Februar einer meiner letzten 3 halbwegs gut passenden BHs seinen Geist aufgab, reichte es. Meine Zeit ist zu schade für kneifende, rutschende BHs! Das ist eine Frage des Komforts!

Aber wer schon einmal BHs gekauft hat, weiß: Die Dinger sind teuer. Und wenn sie ein paar Jahre halten sollen, kosten sie noch mehr. Ich habe vier neue gekauft und dabei „nur“ rund 85 Euro Minus gemacht. Autsch.

Dann die Socken: Wer mich kennt, erkennt mich an den typischen Löchern in den Socken. Am Ballen durchgelaufen, am großen Zehennagel durchgescheuert. Der Klassiker. Nach meinem No-Buy-Jahr ohne neue Sockenkäufe brauchte ich neue Socken: 10 € weg.

Gleichzeitig gingen zwei Jeans in die Knie: Das Elastan war am Ende seiner Lebenszeit angekommen, die Jeans hängen traurig an mir herunter. Dabei habe ich jetzt schon nur wenige Jeans und trage kaum andere Hosen. Also: Neue Jeans kaufen, 40 €. Und schon war das Budget wieder überschritten. Wie ätzend.

Den Umgang mit größeren Ausgaben lernen mit dem Notfallbudget

Ich grübelte nach, was das für mich heißt – abgesehen davon, dass ich offensichtlich noch mehr an meiner Moderation arbeiten muss, denn hätte ich Anfang Januar nicht etwa 40 € für Quatsch ausgegeben, wäre alles nicht so eng gewesen. Ich überlegte und kam irgendwann auf die Idee, noch einen zweiten virtuellen Geldtopf aufzumachen. Ein Notfallbudget, das ich benutzen kann, wenn ich entweder mein normales Budget für den Monat schon aufgebraucht habe, oder wenn eine größere Anschaffung auf einen Schlag nötig wird. Weil mir die Übersicht zu fehlen scheint, das vorher zu bemerken.

Ich benutze dieses Jahres-Notfallbudget in Höhe von 250 €, um mir die Chance zu geben, aus meinen Fehlern zu lernen. Es ist vielleicht nicht die klügste Idee gewesen, mir direkt im Anschluss an ein No-Buy-Jahr ein sehr striktes Budget aufzuerlegen. Aber irgendwann muss ich einen besseren Umgang mit Konsum lernen.

2020: Das Jahr, in dem ich ein Budget aufnahm

Ich habe beschlossen, 2020 ein Budget zu führen. Das wird für mich eine Herausforderung. Ein Jahr (fast) nichts zu kaufen war schon schwierig, ein Budget einzuhalten wird aber voraussichtlich noch schwieriger. Während es mir relativ leicht fällt, meinem Konsumwunsch freien Lauf zu lassen oder mich komplett zu enthalten, ist es für mich ungleich schwerer, ein gutes Maß zu finden und zu halten.

Ein Maß zu halten habe ich bisher einfach nicht lernen müssen. In der Zeit, in der ich kein Geld auszugeben hatte, konnte ich es nicht lernen, weil mir das Geld fehlte. Und danach kenne ich nur das Gefühl, mir jeden Wunsch unmittelbar zu erfüllen und mir so vorzuspielen, ich müsste mir um Geld niemals Sorgen machen.

Existenzieller Frugalismus, Boomer!

Das stimmte natürlich nie. Ich wundere mich kein Stück, dass meine Generation nicht nur aus Umweltgründen spart. Frugalismus heißt der aktuelle Lifestyle, den die Boomer nie nötig hatten. Und wenn ich das Wort „Rente“ höre, bekomme ich aus mehreren Gründen Schnappatmung. Darum ist auch mein Konsumverzicht irgendwo zwischen Umweltschutz, Kapitalismusverweigerung, Sinnsuche und Lebensnotwendigkeit angesiedelt.

Den sorgsamen Umgang mit Geld wirklich zu lernen ist eines meiner Ziele für dieses Jahr. Ich will keinen sorglosen Konsum mehr, der mehr kaputtmacht, als ich mir ausmalen kann. Ich will nicht von personalisierter Werbung verfolgt werden, bis ich zu einem Shoppingzombie werde, der brav kauft, was ihm vorgesetzt wird. Und ich will mich auch nicht daran beteiligen, unseren Planeten buchstäblich kaputtzukonsumieren.

80 € für nachhaltigen Konsum

Seit ich selbst Geld verdiene, musste ich nicht mehr mit einem Budget auskommen. Ich war daher ein wenig ratlos, wie hoch ich es ansetzen sollte. Früher bekam ich 60 Mark im Monat Taschengeld, und dafür musste ich mir alles kaufen: Schulsachen, Kleidung, Schuhe. (Als Jugendliche waren Wohnung und Essen inklusive.) Mit diesen umgerechnet knapp 30 € im Monat würde ich vermutlich nicht mehr auskommen, auch, weil diese 30 € heute inflationsbedingt nur noch eine Kaufkraft von etwa 23 € haben.

Ich überlegte also hin und her. 50 € erscheinen mir zu knapp, wenn ich davon alles kaufen muss, was ich im kommenden Jahr so kaufen muss, von Shampoo über Concealer, von neuen Schuhen bis hin zu Jeans, von einer neuen Winterjacke, die voraussichtlich ansteht, bis zu Büchern, Spielen und anderem Firlefanz. Es ist mir wichtig, dass ich mein Budget auch einhalte. Ich will mich nicht mit zu ehrgeizig gesteckten Regeln scheitern lassen. 100 € scheinen mir andererseits zu viel, das wären immerhin 1200 € auf das ganze Jahr gesehen. Und ich wollte im Jahr unter 1000 € bleiben.

Ein Budget braucht Regeln

Mein Budget wird bei 80 € im Monat liegen, was 960 € auf das Jahr gesehen macht. Die kann ich für Kleidung, Pflegedinge, Schminkzeug, Schuhe, Bücher, Elektroniksachen, Spiele, Deko, Geschirr oder Schmuck ausgeben. Ich setze mir selbst die Regel, dass ich mein Monatsbudget nicht überziehen darf. Ich darf mir nichts von meinem „zukünftigen Ich“ ausleihen. Aber wenn ich das Budget in einem Monat nicht ausschöpfe, wandert der Rest in den nächsten Monat.

Wenn ich diesen Betrag jetzt so vor mir sehe, ist das ganz schön viel Geld. Mal sehen, wie ich in einem Jahr darüber denke.

Gibt es ein Leben nach dem No-Buy? Von Geld, Kontingenten und Budgets

Ein Jahr lange nichts kaufen hat Spuren hinterlassen. Auf dem Konto und in meinem Verhalten. Aber wie jetzt weitermachen? Nie wieder etwas kaufen? Für immer nix?

Vielleicht wäre das gar nicht so schlecht. Konsumverzicht ist sicherlich eine von vielen Möglichkeiten, den CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Und ich tendiere wie immer zu Extremen: Alles oder nichts, ganz oder gar nicht. Eine meiner Lernaufgaben in diesem Leben scheint zu sein, Ambiguitäten auszuhalten und Mittelwege für mich zu erschließen. Vielleicht mit einem Budget? Hmm. Das Problem:

Ich hasse Budgets.

Ich mag es nicht, im Kopf zusammenzählen zu müssen, wie viel ich in einem Monat für X ausgegeben habe oder für Y. Es erinnert mich so sehr an die Zeit, in der ich am 15. genau noch 43 Euro hatte, um mir Essen für den Rest des Monats zu kaufen, und danach war alle. Es zieht mich runter. Es fühlt sich dunkel an und bitter. Ich hasse es, ja, aber ich brauche ein Maß, um mich zu regulieren. Denn von mir aus, automatisch, kommt das wie ich gelernt habe nicht.

Ein festes Budget wäre die eine Möglichkeit. Eine zweite wäre die Einschränkung, nur Ersatz zu kaufen für Dinge, die kaputt oder verbraucht sind – also das No-Buy weiter durchhalten. Die dritte Möglichkeit wäre ein Kontingent, also mir nur eine bestimmte Anzahl an Dingen in einem festgelegten Zeitraum zu erlauben.

Budget oder Kontingent?

Ich überlege also hin und her. Ein Budget würde meinem Konto sicher gut tun. Meine Ausgaben wären über das Jahr planbar, was sich irgendwie erwachsen anfühlt. Wie viele Dinge ich erwerbe und ob ich mein Budget ausschöpfe, wäre mir selbst überlassen.

Ein Kontingent auf der anderen Seite würde mir eine bestimmte Zahl an Käufen im Monat oder Quartal erlauben. Ungeachtet des Preises. Vorteil ist, dass die Menge an Zeug von vornherein begrenzt wäre, ich also nicht mehr als 12 oder 24 oder wie viel auch immer Dinge im Jahr erwerben würde. Aber was das kostet? Schwer zu sagen.

Grundsätzlich habe ich zwei Grundtendenzen in mir: Ich will gerne faire Preise für gute Qualität zahlen. Aber kaum bin ich an diesem Punkt, wird es schon schwierig, denn gute Qualität bedeutet nicht unbedingt hochpreisig. Und was genau fair ist, ist in unserer kapitalistischen Welt sehr schwer auseinanderzufuddeln. Ich würde sogar sagen: Es ist in unserer kapitalistischen Welt absichtlich schwer auseinanderzufuddeln.

Gleichzeitig habe ich den Drang in mir, viele Dinge haben zu wollen. Darauf bin ich nicht stolz, aber ich kann auch nicht so tun, als wäre es anders. Nur, indem ich diesen Drang, möglichst viel haben zu wollen, anerkenne und ihm nachspüre, kann ich lernen, warum das so ist, woher das kommt und wie ich damit umgehen kann. Oder, um ein Bild zu bemühen: Nur, weil ich die Augen an einer vielbefahrenen Straße zumache, fahren davon nicht weniger Autos. Aber ich laufe eher Gefahr, aus Versehen überrollt zu werden.

Ein Budget hätte also den Vorteil, meine finanziellen Ausgaben planbar zu machen, würde mir aber kein Limit an Dingen geben. Ein Kontingent andererseits würde mich in der Menge der Dinge einschränken, die ich kaufen kann, aber nicht im Preis.

Heilung durch Budgetierung

Meine schlechten Erinnerungen an erzwungene Budgetierung sind für mich ein Schlüsselpunkt in meinem Verhalten. Ich weiß, dass ich oft Dinge sinnlos kaufe, um mich frei zu fühlen. Um mir zu beweisen, dass ich es mir jetzt endlich mal leisten kann. Um mich zu belohnen. Ich muss lernen, das zu durchbrechen – und genau darum werde ich für 2020 mit der Budget-Methode arbeiten.

Macht ihr mit?